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Wiedereinsetzung bei nicht unverzüglicher Vorlage der Beschwerdebegründung durch Erstgericht

FamFG § 64 Abs. 1, § 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 117 Abs. 1 Satz 1, 2 und 3; ZPO § 236 Abs. 2

Wird in einer Familienstreitsache die nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Beschwerdebegründung mit der Einlegung der Beschwerde beim Erstgericht verbunden und geht die Beschwerdebegründung erst nach Ablauf der Begründungsfrist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG beim Beschwerdegericht ein, weil das Erstgericht die Beschwerde nicht unverzüglich dem Beschwerdegericht vorgelegt hat, ist dem Beschwerdeführer von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren.

BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – XII ZB 375/11 – OLG Rostock
AG Wismar

In der Entscheidung heißt es auszugsweise:

Beschluss Begründung BGH„Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist die in Familienstreitsachen (§§ 112 Nr. 2, 261 Abs. 1 FamFG) erforderliche Beschwerdebegründung innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses beim Beschwerdegericht einzureichen (§ 117 Abs. 1 Satz 2, 3 FamFG). Zwar kann trotz der unterschiedlich geregelten Zuständigkeiten für die Einlegung (§ 64 Abs. 1 FamFG) und die Begründung (§ 117 Abs. 1 Satz 2 FamFG) der Beschwerde ein Verfahrensbeteiligter in einem Schriftsatz die Beschwerde einlegen und sie zugleich begründen (vgl. Prütting/Helms/Feskorn FamFG 2. Aufl. § 117 Rn. 20). Für die Wahrung der Begründungsfrist ist jedoch allein der Eingang des Schrift-satzes beim zuständigen Beschwerdegericht maßgeblich (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Juni 2011 – XII ZB 468/10 – FamRZ 2011, 1389 Rn. 10). Die zunächst beim erstinstanzlichen Gericht eingereichte Beschwerdebegründung geht allerdings regelmäßig erst mit der Vorlage der Akten gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FamFG beim Beschwerdegericht ein (Keidel/Weber FamFG 17. Aufl. § 117 Rn. 7). Macht ein Verfahrensbeteiligter von der Möglichkeit Ge-brauch, die Beschwerde zugleich mit der Einlegung zu begründen, trägt er das Risiko, dass die Weiterleitung der Beschwerdebegründung verzögert erfolgt und die Beschwerdebegründung verspätet beim Beschwerdegericht eingeht (Keidel/Weber FamFG 17. Aufl. § 117 Rn. 6).

Danach hat die Antragsgegnerin die Frist zur Begründung der Beschwerde nicht gewahrt. Die Beschwerdeschrift ging zusammen mit der Verfahrensakte am 25. November 2010 und damit erst nach Ablauf der am 24. November 2010 endenden Begründungsfrist beim Beschwerdegericht ein.

bb) Der Antragsgegnerin war jedoch gemäß § 117 Abs. 5 FamFG i.V.m. § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumnis der Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren.

(1) Geht eine fristgebundene Rechtsmittelbegründung statt beim Rechtsmittelgericht bei dem erstinstanzlichen Gericht ein, ist dieses grundsätzlich verpflichtet, den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten (Senatsbeschluss vom 15. Juni 2011 – XII ZB 468/10 – FamRZ 2011, 1389 Rn. 12). Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Rechtsuchenden auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Geht der Schriftsatz so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (BGH Beschluss vom 6. November 2008 – IX ZB 208/06 – FamRZ 2009, 320 Rn. 7 mwN).

(2) Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdeschrift der Antragsgegnerin bereits am 21. Oktober 2010 beim Amtsgericht eingegangen. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FamFG wäre das Amtsgericht verpflichtet gewesen, die Beschwerde unverzüglich im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Oberlandesgericht weiterzuleiten. Dieser Verpflichtung ist das Amtsgericht nicht nachgekommen. Die Vorlage der Akten an das Beschwerdegericht wurde von dem zuständigen Richter erst am 4. November 2010 verfügt; die Akten sind sogar erst am 25. November 2010 beim zuständigen Oberlandesgericht eingegangen.

(3) Auf ihren Antrag vom 5. Januar 2011 ist der Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren.

Zwar hat grundsätzlich der die Wiedereinsetzung begehrende Beteiligte innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist darzulegen und glaubhaft zu machen, dass sein Schriftsatz im normalen ordnungsgemäßen Geschäftsgang fristgemäß an das zuständige Rechtsmittelgericht hätte weitergeleitet werden können (BGH Beschlüsse vom 6. Juli 2005 – II ZB 9/04 – NJW-RR 2005, 1373 und vom 22. Oktober 1986 – VIII ZB 40/86 – NJW 1987, 440, 441).

Im vorliegenden Fall bedurfte es, was das Beschwerdegericht nicht beachtet hat, nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO weder eines Wiedereinsetzungsantrags noch der Darlegung und Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes, weil die Antragsgegnerin schon vor dem Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist mit ihrem – Beschwerde und Beschwerdebegründung enthaltenden – Schriftsatz vom 21. Oktober 2010 die versäumte Verfahrenshandlung vorgenommen hatte und die Gründe für die unverschuldete Fristversäumung offenkundig waren (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2010 – XII ZB 334/10 – NJW-RR 2011, 568 Rn. 7).

Denn der verspätete Eingang der Beschwerdebegründung beim Oberlandesgericht beruhte allein darauf, dass das Amtsgericht seiner Verpflichtung gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FamFG zur unverzüglichen Weiterleitung der Beschwerde an das Beschwerdegericht nicht nachgekommen ist. „

 

Anmerkung: Die Entscheidung im Volltext können Sie auf der der Seite des BGH (bundesgerichtshof.de) unter „Entscheidungen“ abrufen.


 

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