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Sind Sozialleistungen als Einkommen beim Verfahrenswert zu berücksichtigen?


14.01.2024


 

OLG Bamberg, Beschluss v. 24.10.2023 – 2 WF 159/23

Titel:

Sozialleistungen als verfahrenswertbestimmendes Einkommen

Normenkette:

FamGKG § 43, § 55 Abs. 3, § 59 Abs. 1 S. 1

Leitsätze:

  1. Sinkt der Wert des Beschwerdegegenstands einer Verfahrenswertbeschwerde infolge einer Teilabhilfe auf 200 € oder darunter, wird die (bis dahin zulässige) Beschwerde unzulässig. (Rn. 7)
  2. Da § 55 Abs. 3 FamGKG das Ziel verfolgt, dass der Verfahrenswert zutreffend festgesetzt wird, entspricht es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine bei der Wertfestsetzung oftmals auftretende Fragestellung zu entscheiden ist, dem Gesetzeszweck, von der Kann-Vorschrift Gebrauch zu machen. Die Unzulässigkeit der Verfahrenswertbeschwerde steht einer Abänderung von Amts wegen nicht entgegen. (Rn. 11)
  3. Im Rahmen der Verfahrenswertbemessung nach § 43 FamGKG sind die vom beteiligten Ehegatten bezogenen Sozialleistungen (insgesamt) als Einkommen zu berücksichtigen. Aus welchen Quellen das Einkommen bezogen wird, ist hierfür unerheblich. Ebenso wenig kommt es auf die Verwendung des Geldes an. Es ist deshalb auch der für Unterkunft und Heizung vom Sozialleistungsträger gezahlte Betrag als Einkommen zu berücksichtigen. (Rn. 13)

 

  1. Wird einer Beschwerde teilweise abgeholfen und sinkt der verbleibende Wert des Beschwerdegegenstands dadurch auf 200 € oder darunter, wird die Beschwerde unzulässig. (Rn. 1 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
  2. Da § 55 Abs. 3 FamGKG das Ziel verfolgt, dass im Ergebnis der Verfahrenswert zutreffend festgesetzt wird, entspricht es dem Gesetzeszweck, von der Kann-Vorschrift Gebrauch zu machen, so dass trotz Unzulässigkeit eines Rechtsmittels eine inhaltliche Befassung des Rechtsmittelgerichts mit dem Rechtsmittel stattfinden kann. (Rn. 9 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
  3. Da im Rahmen der Verfahrenswertbemessung nach § 43 FamGKG es unerheblich ist, aus welchen Quellen das Einkommen bezogen wird, sind auch bezogene Sozialleistungen (insgesamt) als Einkommen zu berücksichtigen. (Rn. 12 – 14) (redaktioneller Leitsatz)

Schlagworte:

Beschwer bei Teilabhilfe zu einer Verfahrenswertbeschwerde, Abänderung der Wertfestsetzung von Amts wegen, Sozialleistungen als verfahrenswertbestimmendes Einkommen, Teilabhilfe, Verfahrenswertbeschwerde, verfahrenswertbestimmendes Einkommen, Sozialleistungen

Vorinstanz:

AG Bamberg, Beschluss vom 01.08.2023 – 0207 F 967/20


 

Tenor

  1. Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Bamberg vom 01.08.2023 in der Form des Teilabhilfebeschlusses vom 21.09.2023 wird als unzulässig verworfen.
  2. Der Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Bamberg vom 01.08.2023 in der Form des Teilabhilfebeschlusses vom 21.09.2023 wird von Amts wegen abgeändert und der Verfahrenswert auf 6.263,01 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 01.08.2023 hat das Amtsgericht nach Rücknahme des Scheidungsantrages den Verfahrenswert für das Verfahren auf 4.000,00 Euro festgesetzt, wobei es Einzelwerte jeweils in Höhe des Mindestwertes von 3.000,00 Euro für die Ehesache und 1.000,00 Euro für den Versorgungsausgleich angesetzt hat. Das monatliche Nettoeinkommen der Antragstellerin hat es mit 525,90 Euro und das des Antragsgegners mit 432,00 Euro zu Grunde gelegt.

Hiergegen hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners Beschwerde eingelegt und vorgebracht, bei einem Einkommen des Antragsgegners von 920,00 Euro aus ALG-II-Leistungen sowie aus nichtselbständiger Tätigkeit von 160,00 Euro würde sich ein Verfahrenswert mit endgültig 6.259,00 Euro ergeben.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 21.09.2023 der Beschwerde teilweise abgeholfen und den Verfahrenswert auf 4.359,81 Euro festgesetzt. Dabei hat es Einzelwerte von 3.353,70 Euro für die Ehesache und 1.006,11 Euro für den Versorgungsausgleich ausgehend von einem monatlichen Nettoeinkommen des Antragsgegners in Höhe von nunmehr 592,00 Euro angesetzt. Das Einkommen des Antragsgegners hat es mit dem Regelbedarf SGB II in Höhe von 432,00 Euro sowie Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 160,00 Euro berücksichtigt. Die Übernahme der Miet- und Mietnebenkosten durch das Jobcenter stellten kein Einkommen dar; es sei auf den Regelbedarfssatz abzustellen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.

Die Einzelrichterin hat das Verfahren mit Beschluss vom 24.10.2023 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache dem Senat übertragen.

II.

1. Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ist unzulässig. Zwar ist sie gemäß §§ 59 FamGKG, 32 Abs. 2 RVG statthaft, da der Rechtsanwalt aus eigenem Recht Rechtsmittel gegen die Festsetzung des Werts mit dem Ziel einer Heraufsetzung einlegen kann.

Allerdings ist in Folge der Teilabhilfe der Beschwerdewert von über 200,00 Euro nicht mehr erreicht (§ 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG). Denn die Anwaltsvergütung, die sich bei dem vom Beschwerdeführer angestrebten Verfahrenswert von insgesamt 6.259,00 Euro errechnet, differiert von der Anwaltsvergütung, die sich nach dem vom Familiengericht festgesetzten Verfahrenswert von 4,359,81 Euro ergibt, lediglich um 157,79 Euro.

Wird der Beschwerde teilweise abgeholfen, so ist der verbleibende Wert des Beschwerdegegenstands zu ermitteln. Sinkt der Wert des Beschwerdegegenstands infolge der Teilabhilfe auf 200 € oder darunter, wird die Beschwerde unzulässig (Schneider in: Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, Verfahrensrecht, Rn. 1_377). Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. § 60 RVG i.d.F. vom 15.3.2022) belief sich die Gebühr ausgehend von den Wahlanwaltsgebühren nach Anlage 2 (zu § 13 RVG) bei einem Gegenstandswert bis 5.000 Euro auf 303,00 Euro und bei einem Gegenstandswert bis 7.000 Euro auf 405,00 Euro und die Differenz der Anwaltsvergütung bei Anfall der Verfahrensgebühr (1,3) einschließlich Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und Umsatzsteuer auf 157,79 Euro.

Damit ist die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners als unzulässig zu verwerfen.

2. Der Senat sieht sich jedoch veranlasst, den vom Amtsgericht festgesetzten Verfahrenswert für die erste Instanz gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamGKG von Amts wegen zu korrigieren. Danach kann die Festsetzung vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden, wenn das Verfahren wegen der Entscheidung über den Verfahrenswert in der Rechtsmittelinstanz schwebt.

Zwar wird vertreten, dass bei Unzulässigkeit der Beschwerde über den Verfahrenswert keine Abänderungsbefugnis von Amts wegen für das Beschwerdegericht besteht, da bei Unzulässigkeit eines Rechtsmittels keine inhaltliche Befassung des Rechtsmittelgerichts mit dem Rechtsmittel stattfinde (vgl. u.a. OLG Braunschweig, 08.03.2022, 4 W 9/22, juris).

Dem schließt sich der Senat jedoch nicht an. Da § 55 Abs. 3 FamGKG das Ziel verfolgt, dass im Ergebnis der Verfahrenswert zutreffend festgesetzt wird, entspricht es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine bei der Wertfestsetzung oftmals auftretende Fragestellung zu entscheiden ist, ersichtlich dem Gesetzeszweck, von der Kann-Vorschrift Gebrauch zu machen. Die zeitlichen Änderungsvoraussetzungen nach § 55 Abs. 3 S. 2 FamGKG liegen vor.

Der Verfahrenswert für das Scheidungsverbundverfahren beträgt insgesamt 6.263,01 Euro.

Im Rahmen der Verfahrenswertbemessung nach § 43 FamGKG sind die vom Antragsgegner bezogenen Sozialleistungen (insgesamt) als Einkommen zu berücksichtigen. Aus welchen Quellen das Einkommen bezogen wird, ist hierfür unerheblich (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 22.05.2017 – 2 WF 122/17 – juris). Ebenso wenig kommt es auf die Verwendung des Geldes an. Es ist deshalb auch der für Unterkunft und Heizung vom Jobcenter (an den Antragsgegner) gezahlte Betrag als Einkommen zu berücksichtigen. Auch bei Zugrundelegung sonstiger Einkünfte werden Mietzahlungen nicht in Abzug gebracht.

Es ist damit von einem Gesamteinkommen der Antragstellerin und des Antragsgegners in Höhe von (525,90 + 920,00 + 160,00 =) 1.605,90 Euro auszugehen, woraus sich Einzelwerte von 4.817,70 Euro (Scheidung) und 1.445,81 Euro (Versorgungsausgleich bei drei Anrechten), somit insgesamt 6.263,01 Euro ergeben.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§§ 59 Abs. 3 FamGKG).

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§§ 59 Abs. 1 Satz 5, 57 Abs. 7 FamGKG).


Quelle: gesetze-bayern.de  (Direktlink zur Entscheidung)


 

Tags: Hartz IV, ALG II, SGB II, Bürgergeld, Sozialleistung, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Verfahrenswert, Einkommen, Familiengericht, OLG, Festsetzung Verfahrenswert

 

 

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Aktualisiert am 23. Januar 2024 durch Rechtsanwalt Steinbach